Die Maschinenrichtlinie und die 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) beziehen sich ausschließlich auf Neumaschinen, die innerhalb der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellt und in Verkehr gebracht werden.
Aber Vorsicht!:
Unter bestimmten Voraussetzungen werden gebrauchte Maschinen, die Umgebaut wurden, vor dem Gesetz wie Neumaschinen behandelt. Das hat zur Folge, dass derjenige, der die umgebaute Maschine auf dem Markt bereistellt (wenn auch nur zum Eigengebrauch) zum Hersteller i.S. des Produktsicherheitsgestzes und der Maschinenrichtlinie wird und damit auch zur Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens verpflichtet ist.
Der Schlüsselbegriff dabei ist die "wesentliche Veränderung" einer Maschine.
Die entscheidende Frage ist dann: Welche Kriterien eines Umbaus an einer Maschine führen dazu, dass die Maschine zu einer Neumaschine vor dem Gesetz wird?
Hier gibt es verschiedene Hinweise in den Dokumenten zu Europäischen Richtlinien:
Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), Pukt 2.1:
"Ein Produkt, an dem nach seiner Inbetriebnahme erhebliche Veränderungen oder Überarbeitungen mit dem Ziel der Modifizierung seiner ursprünglichen Leistung, Verwendung oder Bauart vorgenommen worden sind, die sich wesentlich auf die Einhaltung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union auswirken, ist als neues Produkt anzusehen. Dies ist von Fall zu Fall und insbesondere vor dem Hintergrund des Ziels der Rechtsvorschriften und der Art der Produkte im Anwendungsbereich der betreffenden Rechtsvorschrift zu entscheiden. Wird ein umgebautes oder modifiziertes Produkt als neues Produkt eingestuft, so muss es bei der Bereitstellung bzw. Inbetriebnahme den Bestimmungen der anzuwendenden Rechtsvorschrift entsprechen. Dies ist anhand des entsprechenden Konformitätsbewertungs-verfahrens, das in der betreffenden Rechtsvorschrift festgelegt ist, zu überprüfen."
Diese Beschreibung lässt noch erheblichen Interpretationsspielraum.
Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie, §72:
"Die Maschinenrichtlinie gilt auch für Maschinen, die auf gebrauchten Maschinen basieren, welche so wesentlich umgebaut oder wieder aufgebaut worden sind, dass sie als neue Maschinen angesehen werden können. Es stellt sich damit die Frage, ab wann ein Umbau einer Maschine als Bau einer neuen Maschine gilt, welche der Maschinenrichtlinie unterliegt. Es ist nicht möglich, präzise Kriterien zu formulieren, mit denen diese Frage in jedem Einzelfall beantwortet wird."
Hilft auch nicht wirklich weiter!
Bundesministerium für Arbeit und Soziales - Interpretationspapier zum Thema „Wesentliche Veränderung von Maschinen“
– Bek. des BMAS vom 9.4.2015 – IIIb5-39607-3 –
Keine Wesentliche Veränderung:
- Austausch von Bauteilen der Maschine durch identische Bauteile oder Bauteile mit identischer Funktion und identischem Sicherheitsniveau
- Einbau von Schutzeinrichtungen, die zu einer Erhöhung des Sicherheitsniveaus der Maschine führen und die darüber hinaus keine zusätzlichen Funktionen ermöglichen
Möglicherweise wesentliche Veränderung der Maschine:
- Leistungserhöhung
- Funktionsänderung
- Änderung der bestimmungsgemäßen Verwendung (Änderung der Hilfs-, Betriebs- und Einsatzstoffe, Umbau oder Änderungen der Sicherheitstechnik)
Frage Ebene I: Neue Gefährdungen oder vorhandene Rsisken erhöht?
- Es liegt keine neue Gefährdung bzw. keine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor, so dass die Maschine nach wie vor als sicher angesehen werden kann. → Keine wesentliche Veränderung
- Es liegt zwar eine neue Gefährdung bzw. eine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor, die vorhandenen Schutzmaßnahmen der Maschine vor der Veränderung sind aber hierfür weiterhin ausreichend, so dass die Maschine nach wie vor als sicher angesehen werden kann. → Keine wesentliche Veränderung
- Es liegt eine neue Gefährdung bzw. eine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor und die vorhandenen Schutzmaßnahmen sind hierfür nicht ausreichend oder nicht geeignet. → Es muss eine Risikobeurteilung (vorerst nur für die neue oder erhöhte Gefährdung) durchgeführt werden.
Frage Ebene II: Kann das zusätzliche oder erhöhte Risiko mit „einfacher Schutzeinrichtung“ beseitigt oder hinreichend minimiert werden?
Wenn ja: → Keine wesentliche Veränderung!
Wenn nein: → Wesentliche Veränderung, Konformitätsbewertungsverfahren für die komplette Maschine
Frage Ebene III: Was ist eine "einfache Schutzeinrichtung"?
Eine einfache Schutzeinrichtung ist e
- feststehende trennende Schutzeinrichtung
- bewegliche trennende Schutzeinrichtung
- nicht trennende Schutzeinrichtung
„…die nicht erheblich in die bestehende sicherheitstechnische Steuerung der Maschine eingreifen“
Nach meinem Verständnis kann demnach jede technischen Schutzeinrichtung eine "einfache Schutzeinrichtung" sein.
Frage Ebene IV: was bedeutet "nicht erheblich in die bestehende sicherheitstechnische Steuerung der Maschine eingreift" ?
- Belegung ohnehin vorhandener Eingänge der bestehenden (Sicherheits-) Steuerung
- Stillsetzen nur der betroffenen Maschinenfunktion, unabhängig von der vorhandenen Sicherheitssteuerung